Einführung zu Talmud Esser HaSefirot, Punkt 141 – 150

141. Daraus sollst du den Satz verstehen: „Mich verlasset doch mein Gesetz haltet ein!“. Das bedeutet: „Ich wünschte, ihr würdet mich verlassen, und meine Torah würdet ihr halten, denn das Licht, welches sich in ihr birgt, bringt an die Quelle zurück“ (Jerusalemer Talmud, Chagiga, 1/7). Auf den ersten Blick ist dies merkwürdig. Gemeint ist aber, dass die Menschen fasteten und litten, um die Offenbarung des Angesichts des Schöpfers zu finden, wie es heißt: „Sie begehren, dass Gott sich nähert“ (Jesaja, 58:2)

Uns es sagt die Schrift im Namen des Schöpfers: „Ich wünschte ihr würdet mich verlassen, denn alle eure Bemühungen sind vergebens und nutzlos. Doch meine Torah würdet ihr behalten; denn ich bin nirgends anders zu finden als in der Torah. Deswegen haltet die Torah, und dort suchet mich, und das Licht, welches sich in ihr birgt, wird euch an die Quelle zurückführen, und ihr werdet mich finden“, wie es auch den Worten geklärt wird: „Diejenigen die Mich suchen werden Mich finden“.

142. Nun kann man das Wesen der Wissenschaft der Kabbalah wenigstens im geringfügigsten Maße klären, so dass es zu einer zuverlässigen Vorstellung über die Natur dieser Wissenschaft ausreichen würde, um sich durch fälschliche Erdichtungen, welche die Vorstellungen des Großteils der Massen ausmachen, nicht in die Irre zu führen.

Man muss wissen, dass sich die Torah in vier Stadien unterteilt, welche die ganze Realität umfassen. Drei Stadien werden in der Gesamtrealität dieser Welt unterschieden und werden als Welt, Jahr und Seele bezeichnet. Das vierte Stadium stellt die Wege der Existenz dieser drei Teile der Realität dar, das heißt ihre Ernährung, Lenkung, und alle ihre Erscheinungsfälle.

143. Der Außenteil der Realität, z.B. der Himmel, das Firmament, die Seen und ähnliches in der Torah Beschriebene – all das wird als Welt bezeichnet.

Der Innenteil der Realität, also der Mensch, das Haustier, das Wildtier, Vögel nach Arten und ähnliches in der Torah beschriebene, was es an den Orten gibt, die „das Äußere“ heißen, werden „Seele“ genannt.

Die Entwicklung der Wirklichkeit nach ihren Generationen wird Ursache und Folge genannt. Das ist zum Beispiel die in der Torah beschriebene Entwicklung der Häupter der Generationen vom Ersten Menschen bis Joschua und bis Kaleb, die in das Land Israel kamen. Dabei wird der Vater als „Ursache“ für seinen Sohn betrachtet, der seinerseits „Folge“ des Vaters ist. Die Kategorie dieser Entwicklung der Details der Realität auf kausale Weise wird dabei als Jahr bezeichnet.

Alle in der Torah beschriebenen Existenzwege der Wirklichkeit sowohl die äußeren als auch die inneren werden auf allen Wegen ihrer Lenkung und in allen ihren Erscheinungen Existenz der Realität genannt.

144. Wisse, dass die vier Welten, welche in der Wissenschaft der Kabbalah als die Welten Azilut, Briah, Jezira und Assija bezeichnet werden, sich ausbreiteten und eine aus der anderen austrat wie Stempel und Abdruck. Alles, was im Stempel geschrieben ist, bleibt unbedingt auch auf seinem Abdruck – nicht weniger und nicht mehr. Genau so war es auch bei der Ausbreitung der Welten. Alle vier Stadien, welche in der Welt Azilut vorhanden sind: Welt, Jahr, Seele und die Wege ihrer Existenz – sie alle prägten sich ab und erschienen nach dem gleichen Prinzip auch in der Welt Briah. Genau so gingen sie aus der Welt Briah in die Welt Jezira über, bis hin zur Welt Assija.

Somit kamen die Stadien „Welt“, „Jahr“ und „Seele“ in der uns sichtbaren Realität mit allen Wegen ihrer Existenz, wie sie sich unseren Augen in dieser Welt darstellen, aus der Welt Jezira her, und erschienen hier. Und die Welt Jezira ihrerseits – aus derjenigen, die über ihr ist.

Die Quelle all der zahlreichen Details, die sich unseren Augen darstellen, befindet sich also in der Welt Azilut. Darüber hinaus muss sogar alles Neue, was heute in dieser Welt entsteht, unbedingt zuvor weiter oben erscheinen, in der Welt Azilut. Und von dort fällt es, verbreitet sich und erscheint uns in unserer Welt.

Davon sprachen die Weisen: „Es gibt keinen Grashalm unten, der kein Los und keinen Wachmann oben hätte, der ihn schlägt und ihm sagt: „Wachse!“ (Bereschit Rabba 10). Und das ist es, was geschrieben steht: “Der Mensch unten wird keinen Finger krümmen, bevor man das nicht oben verkündet“ (Chulin, S.7).

145. Die Torah kleidet sich also in drei Kategorien der Realität: Welt, Jahr, Seele, und die Wege ihrer materiellen Existenz in dieser Welt, woraus die in der offenen Torah eingeschlossenen Verbote, Unreinheit und Untersagung resultieren. Weiter oben wurde geklärt, dass der Schöpfer in sie nach dem Prinzip „die Torah und der Schöpfer sind eins“ eingehüllt ist, allerdings in einer großen Verhüllung, weil diese materiellen Kleider die Flügel sind, die Ihn bedecken und Ihn verbergen.

Die Kleidung der Torah in die reine Kategorie von Welt- Jahr- Seele sowie die Arten ihrer Existenz in den drei Höheren Welten Azilut, Briah und Jezira werden als Ganzes als die „Wissenschaft der Kabbalah“ bezeichnet.

146. Somit sind die Wissenschaft der Kabbalah und die offene Torah das Gleiche. Solange der Mensch jedoch die Lenkung durch Verhüllung des Angesichts erhält, und der Schöpfer sich in der Torah verhüllt, gilt, dass der Mensch sich mit der offenen Torah beschäftigt. Das heißt er eignet sich nicht dafür, irgendein Licht von der Torah der Welt Jezira zu erhalten, um nicht von dem zu sprechen, was sich über der Welt Jezira befindet.

Wenn aber der Mensch der Enthüllung des Angesichtes gewürdigt wird, beginnt er, sich mit der Wissenschaft der Kabbalah zu beschäftigen. Denn die Kleider der offenen Torah selbst wurden für ihn dünner, und seine Torah wurde zur Torah der Welt Jezira, die als die „Wissenschaft der Kabbalah“ bezeichnet wird. Und sogar wenn der Mensch der Torah der Welt Azilut würdig wird, bedeutet dies nicht, dass sich die Buchstaben der Torah in seinen Augen veränderten. Die gleichen Kleider der offenen Torah verdünnten sich einfach für ihn und wurden sehr rein, wie es heißt: „Und dein Lehrer wird sich nicht mehr verbergen müssen, sondern deine Augen werden deinen Lehrer sehen“- und sogleich wurden sie zu „Der Schöpfer, das Licht und Seine Handlungen sind in ihr Eins“.

147. Damit es dem Verstand etwas einfacher fällt, werde ich dir ein Beispiel anführen. Solange sich der Mensch in der Phase der Verhüllung des Angesichtes befand, verhüllten die Buchstaben und Kleider der Torah den Schöpfer unbedingt; denn der Mensch erlitt Misserfolge wegen der von ihm böswillig begangenen Verstöße und Unachtsamkeitsverstöße. Damals stand er unter der Bedrohung der Strafe, das heißt der groben Kleider der Torah: der Unreinheit, des Verbots, der Untersagung usw.

Sobald der Mensch jedoch der offenen Lenkung und des Stadiums der Reue aus Liebe gewürdigt wird, in welchem die böswilligen Verstöße sich für ihn in Verdienste umwandeln, dann legen alle böswilligen Verstöße und Unachtsamkeitsverstöße, in welchen er seit der Zeit seines Verweilens unter der Verhüllung des Angesichts Misserfolge litt, ihre groben und solch bitteren Kleider ab und hüllen sich in Kleider des Lichtes, der Mizwa und der Verdienste. Denn diese groben Kleider verwandelten sich selbst in Verdienste und nun sind sie Kleider, die der Welt Azilut oder Briah entspringen und die den „Lehrer“ nicht bedecken und nicht verbergen. Mehr als das, „deine Augen werden deinen Lehrer sehen“.

Denn es gibt keinerlei Unterschied zwischen der Torah der Welt Azilut und der Torah in dieser Welt, das heißt zwischen der Wissenschaft der Kabbalah und der offenen Torah. Und der ganze Unterschied birgt sich nur im Menschen, der sich mit der Torah beschäftigt. Zwei könnten sich mit der Torah beschäftigen, mit einem Gesetz und wahrlich in einer Sprache, und dennoch wird diese Torah für den Einen die Wissenschaft der Kabbalah und Torah der Welt Azilut, und für den Anderen die offene Torah der Welt Assija sein.

148. Nun wirst du die Wahrhaftigkeit der Worte aus dem Gebetsbuch des Vilner Gaons verstehen. Im Segensspruch für die Torah schrieb er, dass man mit der Torah bei Sod (Geheimnis) beginnt, das heißt bei der offenen Torah der Welt Assija, die zur Kategorie des Verhüllten gehört, weil sich der Schöpfer dort vollkommen verhüllt. Dann geht man zur Andeutung (Remes) über, was meint, dass Er sich mehr in der Torah der Welt Jezira offenbart. So, bis der Mensch endlich des einfachen (enthüllten) Sinnes (Pschat) würdig wird – der Torah der Welt Azilut, die als der „einfache Sinn“ (Pschat) bezeichnet wird, weil sie alle Kleider abwirft, die den Schöpfer verhüllten.

149. Nun können wir uns einen gewissen Begriff und eine Vorstellung von den vier reinen Welten machen, die in der Wissenschaft der Kabbalah unter den Namen Azilut, Briah, Jezira und Assija bekannt sind, und auch von den vier unreinen Welten ABJA, die den reinen Welten ABJA gegenüberstehen. Verstehe das aus den vier Stadien der Erkenntnis der Lenkung des Schöpfers und aus den vier Stufen der Liebe. Betrachten wir zunächst die vier reinen Welten ABJA. Dabei beginnen wir von unten, von der Welt Assija.

150. In den vorherigen Paragrafen klärten sich für uns die zwei ersten Stadien der Lenkung in der Verhüllung des Angesichts. Wisse, dass sie beide zur Welt Assija gehören. Daher steht im Buch “Baum des Lebens”, dass die Welt Assija zum größten Teil böse ist. Gemeint sind Leiden und Schmerz, welche von denen empfunden werden, die diese Lenkung erhalten. Und aus der doppelten Verhüllung folgt, dass auch das Gute sich mit dem Bösen vermischt und dabei vollkommen unkenntlich bleibt.

Das erste Stadium der Offenbarung des Angesichts ist das Stadium „Welt Jezira“, und daher heißt es im Buch „Baum des Lebens“ (Tor 58, T.3), dass die Welt Jezira zur Hälfte das Gute und zur Hälfte das Böse ist. Mit anderen Worten ist das erste Stadium der Offenbarung des Angesichts das erste Stadium bedingter Liebe, das lediglich „Reue aus Furcht“ genannt wird; und derjenige, der sie erkennt, wird als ein „Mittlerer“ bezeichnet, weil er halb schuldig und halb freigesprochen ist.

Die Liebe im zweiten Stadium ist ebenfalls bedingt, es gibt aber zwischen dem Menschen und dem Schöpfer keine Spur (Erinnerung) des Schadens oder irgendwelches Bösen. Das gleiche bezieht sich auf das dritte Stadium der Liebe, welches das erste Stadium bedingungsloser Liebe ist. Beide Stadien gehören zur Kategorie der „Welt Briah“. Daher heißt es im Buch „Baum des Lebens“, dass der größere Teil der Welt Briah das Gute, und der kleinere das Böse ist, und dieser geringe Anteil des Bösen unerkennbar ist. Wie es oben gesagt wurde, neigt sich der Mittlere dem Freispruch zu, sobald er einer Mizwa gewürdigt wird und wird daher als „größtenteils gut“ bezeichnet. Anders gesprochen ist es das zweite Stadium der Liebe. Und die unerkennbare Kleinigkeit an Bösem, die in der Welt Briah existiert, resultiert aus dem dritten Stadium (der dritten Form), der bedingungslosen Liebe. Der Mensch neigte zwar sich selbst bereits dem Freispruch zu aber noch nicht die ganze Welt, und daher ist ein geringer Anteil von ihm Böses, weil seine Liebe noch nicht zu einer Ewigen wurde. Diese Kleinigkeit ist aber unbemerkbar, weil der Mensch noch nichts Böses und keinen Schaden auch in Bezug auf Andere verspürt hat.

Das vierte Stadium der Liebe, das heißt bedingungslose und ewige Liebe gehört zur Kategorie der Welt Azilut. Davon spricht das Buch „Baum des Lebens“: in der Welt Azilut gibt es nicht das geringste Böse. Dort „Böses bleibt nicht vor dir“ (Psalmen 5:5), weil nachdem der Mensch auch die ganze Welt dem Freispruch zugeneigt hat, die Liebe zu einer ewigen und absoluten wird, und es niemals mehr einen Begriff von jeglicher Bedeckung oder Verhüllung geben wird. Denn dort ist der Ort absoluter Offenbarung, wie es heißt: „Und dein Lehrer wird sich nicht mehr verbergen müssen, sondern deine Augen werden deinen Lehrer sehen“. Denn der Mensch kennt bereits alle Beziehungen des Schöpfers zu allen Geschöpfen in der Kategorie wahrer Lenkung, die sich aus Seinem Namen offenbart: der Gütige, der Guten und Schlechten Güte Erweisende.