Einführung zu Talmud Esser HaSefirot, Punkt 31 – 40

31. Es existiert eine große Notwendigkeit zu erklären, warum die Ankunft des gerechten Erlösers von der Verbreitung der Kenntnisse der Kabbalah in den Massen abhängig ist, was so gut aus dem Sohar und allen Büchern zur Kabbalah bekannt ist. Die Massen selbst vernachlässigen das aber auf unerträgliche Weise.
Und die Klärung dieser Frage wird in Tikunej Sohar angeführt (30:5, Nativ Tinjana). Eine kurze Übersetzung: „Zu einer Zeit, wenn die Schchina ins Exil hinabsteigt, weht dieser Geist über diejenigen, die sich mit der Torah beschäftigen, weil die Schchina unter ihnen weilt. Alle gleichen dem Vieh, welches Gras frisst. Jeden Gefallen führen sie für sich aus. Und sogar diejenigen, die Torah studieren, tun jeden Gefallen für sich. Zu dieser Zeit weicht der Geist und kehrt nicht in die Welt zurück. Und das ist der Geist des Maschiach.

Wehe denen, wegen welchen der Geist des Maschiach aus der Welt weicht und nicht in die Welt zurückkehrt. Sie machen die Torah trocken und möchten keine Bemühungen in der Wissenschaft der Kabbalah unternehmen. Diese Menschen führen dazu, dass die Quelle der Weisheit versiegt, das heißt sowie der Buchstabe „Yud“ im Namen HaWaYaH. Und es wird sich der Geist des Maschiach entfernen, der Geist der Weisheit (Chochma) und des Verständnisses (Bina), der Geist des Gedankens und der Tapferkeit  (Gwura), der Geist des Wissens (Daat) und der Ehrfurcht vor dem Schöpfer. „Und der Schöpfer sagte: „Es werde Licht“- das ist das Licht der Liebe, der Liebe der Barmherzigkeit. Wie es geschrieben steht: „Mit ewiger Liebe liebte ich dich“ (Jeremija, 31:2). Und davon steht geschrieben: „Weckt die Liebe nicht auf und stört sie nicht, bis es ihr selbst gefällt“ (Hoheslied, 3:5)… Und dann ist das keine Liebe für die Belohnung. Denn Liebe und Ehrfurcht für den Empfang einer Belohnung gehören einer Magd…  Ein Land wird durch dreierlei unruhig, und viererlei kann es nicht ertragen: einen Knecht, wenn er König wird… eine Magd, wenn sie ihre Herrin beerbt“ (Sprüche, 30:12)“.

32. Beginnen wir, “Tikunej Sohar” vom Ende bis zum Anfang zu erklären. Es wird gesagt, dass Ehrfurcht und Liebe, die der Mensch in den Beschäftigungen mit der Torah und den Geboten empfindet, als Ziel den Erhalt der Belohnung verfolgen. Mit anderen Worten hofft der Mensch, dass er dank der Torah und dank der Arbeit ein gewisses Wohl erlangt. Darin besteht die Bedeutung der „Magd“, von der geschrieben steht: „Eine Magd, die ihre Herrin beerbt“.

Auf den ersten Blick ist das schwer zu verstehen. Denn es steht geschrieben: „Es soll sich der Mensch immer zu mit der Torah und den Geboten beschäftigen, selbst wenn er das Lo Lishma tut“. Warum aber „wird das Land unruhig“? Und man sollte noch fragen, warum die Beschäftigungen in Lo Lishma eben zur Kategorie „Magd“ gehören. Aber auch der Ausdruck „Beerbt ihre Herrin“- von welchem Erbe kann hier die Rede sein?

33. Diese Frage kann man verstehen, wenn man sie mit all dem verbindet, was oben erklärt wurde. Denn die Weisen erlaubten die Studien in Lo Lishma nur aus dem Grunde, dass der Mensch von Lo Lishma zu Lishma gelangt, weil „das Licht, welches sich in der Torah verbirgt, ihn an die Quelle zurückführt“. Und daher wird das Studium in Lo Lishma als eine „Magd – Helferin“ gelten, die niedere Arbeit für ihre Herrin – die Schechina – ausführt. Denn im Endeffekt wird der Mensch zu Lishma gelangen und des Leuchtens der Schchina würdig. In diesem Fall gilt auch die „Magd“, das heißt das Studium in Lo Lishma, als eine „gerechte Magd“, weil sie hilft und das Spirituelle vorbereitet, und wird als die „reine“ Welt Assija bezeichnet.

Wenn aber der Glaube des Menschen unvollkommen ist, und er sich mit der Torah und der Arbeit nur aus dem Grunde beschäftigt, weil der Schöpfer es ihm aufgetragen hat zu studieren, dann wird sich in solch einer Torah überhaupt nicht das darin eingeschlossene Licht offenbaren, weil die Augen des Menschen beschädigt sind und das Licht in Dunkelheit verwandeln, wie bei einer Fledermaus. Ein solches Studium tritt bereits aus der Macht der „gerechten Magd“ heraus, weil der Mensch mit ihrer Hilfe nicht dessen würdig ist. Daher geht er in die Herrschaft der Klipa über, der „unreinen Magd“, die diese Torah und die Arbeit beerbt und sie für sich wegnimmt. Daher „wird das Land unruhig“ (bebt), denn bekannterweise wird als das Land die Schechina bezeichnet, und diejenige Torah und Arbeit, die in die Macht der Schechina hätten übergehen müssen, werden von der „schlechten Magd“ geraubt, indem sie diese nach unten in die Herrschaft der Klipot absenkt. Folglich beerbt die Magd die Herrin.

34. Auf diese Weise wurde in “Tikunej Sohar” das Geheimnis der Beschwörung erklärt: „Weckt die Liebe nicht auf und stört sie nicht, bis es ihr selbst gefällt“. Es ist wichtig, dass das Volk Israel das Höchste Licht der Barmherzigkeit anzieht, welches auch als die „Liebe der Barmherzigkeit“ bezeichnet wird. Denn das ist jenes „Erwünschte“, was gerade mittels der Arbeit in der Torah und den Geboten nicht für eine Belohnung herangezogen wird. Durch das Licht der Barmherzigkeit im Volk Israel wird das Licht der Höchsten Weisheit (chochma) angezogen, welches sich im Licht der Barmherzigkeit des Volkes Israel offenbart.

Dieses Licht Chochma ist das Geheimnis des Gesagten: „Und es ruht auf ihm der Geist des Schöpfers; der Geist der Weisheit und des Verständnisses, der Geist des Gedanken und der Tapferkeit, der Geist des Wissens und der Ehrfurcht vor dem Schöpfer“ (Jesaja, 11:2). Es heißt über den König – Maschiach (Messias): „Und er wird den Völkern ein Zeichen bringen und die Vertriebenen Israels versammeln, und die aus Judäa zerstreuten von vier Enden der Erde einsammeln“. Denn nachdem mithilfe des Lichts Chesed das Volk Israels das Licht Chochma anzieht, offenbart sich der Messias und versammelt alle Vertriebenen Israels.

Es hängt alles von den Studien der Torah und der Arbeit in Lishma ab. Dadurch ist der Mensch fähig, ein großes Licht Chesed heranzuziehen, in welches sich das darauffolgende Licht Chochma einkleidet. Und das ist das Geheimnis der Beschwörung: „Weckt nicht auf und stört nicht“. Denn das vollbrachte Exil und die Versammlung der Vertriebenen sind ohne das nicht möglich, weil so die Reihenfolge der Kanäle des Spirituellen ist.

35. Die Weisen deuteten auch den folgenden Vers: “und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser“ (Torah, Bereschit, 1:1). Was ist der „Geist des Schöpfers“? Während des Exils des Volkes Israel befasst man sich noch immer mit der Torah und den Geboten Lo Lishma. Wenn das aber jene Kategorie Lo Lishma ist, aus welcher man zu Lishma gelangt, dann verweilt die Schechina zwischen ihnen nur im Stadium des Exils, weil sie noch nicht zu Lishma gelangten.

Davon heißt es: Schchina befindet sich in der Verhüllung, aber am Ende werden sie der Offenbarung der Schchina würdig. Dann schwebt der Geist des Königs – Maschiach (Messias) über jenen, die sich mit der Torah und den Geboten beschäftigen und erweckt sie dazu, zu Lishma zu gelangen, durch das Geheimnis des Gesagten: „Das Licht, welches die Torah birgt, führt sie an die Quelle zurück.“ Die Torah hilft und bereitet auf das Strahlen der Schchina, ihrer Herrin, vor.

Wenn jedoch diese Studien in Lo Lishma nicht würdig sind, zu Lishma zu führen, dann jammert die Schchina und sagt, dass es in denen, die sich mit der Torah beschäftigen, keinen Geist des Menschen gibt, der nach oben emporsteigt, sondern sie geben sich mit dem Geist eines Tieres zufrieden, welcher nach unten hinabsteigt, und alle ihre Beschäftigungen mit der Torah und den Geboten dienen ihrem eigenen Gewinn und Genuss. Und solche Studien der Torah können sie nicht zu Lishma führen, denn es weht nicht über ihnen der Geist des Maschiach, sondern es weicht unwiderruflich von ihnen, weil die unreine Magd ihre Torah wegnimmt und die Herrin beerbt – denn sie gehen nicht den Weg, der sie von Lo Lishma zu Lishma führt.

Obwohl sie keinen Erfolg durch die Studien der offenen Torah haben, weil es in ihr kein Licht gibt und sie trocken ist – wegen der Begrenztheit ihres Verstandes – können sie doch mittels des Studiums der Kabbalah Erfolg erlangen, weil das Licht, welches sich in ihr birgt, in die Kleider des Schöpfers gekleidet ist, das heißt in seine Namen und Sfirot. Dann könnten sie mit Leichtigkeit zu Lo Lishma gelangen, welches sie zu Lishma führt, und der Geist des Schöpfers wird über ihnen schweben, was der Sinn des Gesagten ist: „das Licht der Torah führt sie an die Quelle zurück.“

Dennoch wollen sie in keinster Form das Studium der Kabbalah. Und daher bewirken sie Armut, Erniedrigung, Zerstörung, Mord und Vernichtung in der Welt, weil der Geist des Maschiach weicht, der Geist von Chochma und Bina.

36. Aus den Worten von “Tikunej Sohar” wird Folgendes geklärt. Es gibt einen Schwur darauf, dass das Licht der Gnade und Liebe in der Welt nicht erwachen wird, bevor nicht die Taten des Volkes Israel in der Torah und in den Geboten statt mit der Absicht, eine Belohnung zu erhalten, endlich mit der Absicht, dem Schöpfer Genuss zu schenken, erfolgen, was das Geheimnis der Beschwörung ist: „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems“ (Hoheslied, 5:8). Somit hängen die andauernden Exile und Leiden, die wir erdulden, von uns ab und warten auf unsere Entscheidung. Bis wir letztlich der Arbeit in der Torah und den Geboten Lishma gewürdigt werden. Und nur wenn wir das verdienen, wird dieses Licht der Liebe und Gnade erwachen, durch dessen wunderbare Eigenschaft die Worte verwirklicht werden: „Und es ruht auf ihm der Geist der Weisheit und des Verständnisses“. Und dann werden wir der vollkommenen Erlösung würdig.

Das ganze Volk Israels wird zu dieser großen Reinigung nicht anders als durch das Studium der Kabbalah gelangen, die den leichtesten Weg darstellt, der auch für die Unvernünftigen zureichend ist. Andererseits werden nur Einzelne, die mit mirakulöser Kraft ausgestattet sind, dank der Beschäftigung mit der offenen Torah allein dessen würdig, und zwar mittels großer Leiden – nicht aber die Mehrheit des Volkes (aus Gründen, die in P.22 erläutert wurden). Dadurch hat sich eindeutig die Nichtigkeit der vierten und fünften Frage geklärt, die zu Beginn dieses Vorwortes angeführt wurden.

37. Was aber die dritte Frage anbelangt, die in der Furcht besteht, etwas auszulassen, so gibt es hier nichts zu befürchten, weil die Menschen einst vom Weg des Schöpfers aus zweierlei Gründen abwichen:

–    Entweder verstießen sie gegen die Worte der Weisen in den Dingen, die zu enthüllen verboten sind;

–    Oder, weil sie die Worte der Kabbalah in ihrer äußeren Bedeutung verstanden, das heißt entsprechend materiellen Anweisungen, und gegen das Gebot verstießen: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen“ (Torah, Schmot 20:4)

Daher stand bis heute tatsächlich eine unüberwindbare Mauer um diese Wissenschaft herum. Viele unternahmen Versuche, traten an das Studium heran und konnten es nicht fortsetzen, wegen des Mißverständnisses oder wegen materieller Termini. Deswegen habe ich mich in den Kommentaren zum Buch „Panim Meirot u- Masbirot“ darum gekümmert, das große Buch vom Ari „Baum des Lebens“ zu erklären, indem ich materielle Formen abstrahierte und sie in Entsprechung zu spirituellen Gesetzen setzte, über Raum und Zeit – so, dass jeder Anfänger den Sinn und die Begründung dieser Dinge verstehen und dabei die Klarheit des Verstandes auch in der einfachsten Form behalten könnte; nicht schwerer, als die Gemara mittels der Deutungen von Raschi verstanden wird.

38. Lasst uns den Begriff der Verpflichtung zur Beschäftigung mit der Torah und den Geboten Lishma erweitern. Man muss den Terminus selbst verstehen: „Torah Lishma“. Warum wird die erwünschte, vollkommene Arbeit als Lishma definiert (wörtlich: „um ihrer Willen“, und unerwünschte Arbeit- als „Lo Lishma“ (wörtlich: „nicht um ihrer Willen“)? Denn im einfachen Verständnis, wenn ein Mensch, der sich mit der Torah und den Geboten beschäftigt, sich verpflichtet, sein Herz auf den Genuss des Schöpfers auszurichten und nicht auf den eigenen Gewinn, dann müsste man das mit dem Begriff: „Torah Lischmo“ definieren („Torah für Ihn/um Seinetwillen“), und im entgegengesetzten Fall: „Torah Lo Lischmo“ („Torah nicht für Ihn“), was den Schöpfer meint. Warum wird das aber mit den Begriffen von „Lishma“ und „Lo Lishma“ definiert, welche die Torah meinen?

Natürlich liegt darin ein tieferer Sinn als man aus dem Gesagten heraushört, denn dieser Ausspruch bescheinigt, dass die Torah für Ihn (Lischmo), das heißt um dem Schöpfer Genuss zu bereiten, immer noch nicht genügt, und auch Studien für sie (Lishma) notwendig sind, das heißt für die Torah. Und das erfordert eine Erklärung.

39. Die Torah wird bekannterweise als “Torah des Lebens” bezeichnet. Es steht geschrieben: „Ein Leben für denjenigen, der sie fand“ (Mischlej, 4:22), „denn es ist kein leeres Wort für euch, sondern euer Leben“ (Dvarim, 32:37). Daher besteht der Sinn des Begriffes „Torah Lishma“ darin, dass die Beschäftigung mit der Torah und den Geboten dem Menschen Leben und Verlängerung der Tage bringt, weil dann die Torah ihrem Namen entspricht.

Folglich bringt die Beschäftigung mit der Torah und den Geboten einem Menschen, der sein Herz und seinen Verstand nicht auf das oben Gesagte ausrichtet, das Gegenteil vom Leben und der Verlängerung der Tage, das heißt sie entspricht überhaupt nicht dem Namen der Torah; denn sie wird als „Torah des Lebens“ bezeichnet. Verstehe das. Diese Worte werden von Weisen gedeutet (Traktat Taanit, 7, S.1): „Für jeden, der sich mit der Torah Lo Lishma beschäftigt, wird sie zu einem tödlichen Gift. Und für jeden, der sich mit der Torah Lishma beschäftigt, wird sie zum Lebenselexir“.

Diese Worte bedürfen jedoch einer Klärung: man muss verstehen, wie und worin wird die Torah für den Menschen zu einem tödlichen Gift? Er bemüht sich nicht nur vergebens und hat keinen Nutzen aus seinen Sorgen und Bemühungen – auch die Torah selbst und die Arbeit verwandeln sich für ihn in ein tödliches Gift. Das ist sehr merkwürdig.

40. Zunächst bedenken wir die Worte der Weisen (Traktat Megilla, 6, S.2): “Bemühte sich und fand – sollst du glauben, bemühte sich nicht und fand – sollst du nicht glauben”. Was bedeutet der Ausdruck „bemühte sich und fand“, der in sich widersprüchlich erscheint? Denn das Wort „bemühte“ zeugt von der Arbeit und von den Sorgen, mit denen man das Erwünschte bezahlt; und zwar zahlt man für etwas Wichtiges mit einer großen Anstrengung, und für etwas weniger Wichtiges mit einer kleinen.

„Fand“ steht aber dazu im Gegensatz. Das Erwünschte kommt normalerweise zu einem Menschen, wenn seine Aufmerksamkeit vollkommen abgelenkt ist, ohne jegliche vorbereitende Sorgen, Anstrengungen und Bezahlung. Wie kannst du daher sagen: “Bemühte sich und fand”? Denn wenn Arbeit investiert worden wäre, könnte man sagen: “bemühte sich und erwarb“ oder „bemühte sich und verdiente“ usw., aber nicht „bemühte sich und fand“?